Albrecht von Eyb: Sigismunda
und Gwiscardus
Ob einem manne sey zunemen ein eelichs weyb oder nicht. 1472
Das
man frawen vnd iunckfrawen
zu rechter zeit menner geben soll
EJn húbsche histori die Boccacius geschriben
hat gibt zuuerstien das man frawen vnd
Junckfrawen zu rechter zeit menner geben
soll Ee das sie durch bloodigkeit des fleyschs
vnd leichtuertigkeit des gemuotes zu valle vnd schanden
kumen muogen dieselben histori will ich hiemit begreiffen
vnd setzen in kuortze so es gesein mag vnd lawtet also
Es ist gewest ein fuorste vnd herr genant Tancredus der
hett ein einige tochter Sigismunda genant die im auß
der maßen lieb was vnd wiewol vil fuorsten vnd herren
sie begerten zu der ee mocht sich der vater der tochter
nit erwegen vnd behielt sie beý im uober die rechten iar
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das sie pillich ein man genumen solt haben
Doch uober
lange zeit gab er der tochter einen man eines hertzogen
son der in wenig iaren mit tod abging vnd kam Sigismunda
wider zu irem vater ein wittbe der wollt sie nit
von im laßen aus lieb vnd lust der tochter noch gedencken ir
einen andern man zugeben Die tochter Sigismunda was
von leib vnd gestalt gantz huobsch vnd grooßer sýnnen vnd
vernuofftig gedacht vnd nam ir fuor wie sie in stille vnd
geheim moocht haben ein liebhaber vnd pulen auß manchen
edeln vnd vnedeln als an der fuorsten hoofen gefunden
werden Als sie het vermerckt ir aller wesen sitten vnd
gestalt ward ir wolgefallen ein huobscher Juongling der
da was einer nýdern geburt aber von guten sitten vnd
eines edeln hohen gemuots des namen was Gwiscardus
denselben iuongling ward Sigismunda offt lieplich ansehen
vnd in von tag zu tagen ýe mere beweren vnd lieb
haben . deßgleichen der iuongling als er vername die lieb
vnd willen der frawen wart widerumb in der lieb der
frawen entzuondet vnd gedacht tag vnd nacht wie er ir
moocht wolgefallen vnd gedienen Sigismunda ward dem
iuongling ein brieff schreiben vnd iren willen zu erkennen
geben vnd vndterweisen wie er sich halten solt . denselben
brieff beschloß sie in ein holes rore gab im das rore
in schýmpff weis vnd sprach . dises rore soltu meiner
meyd geben das sie damit das feuor muog aufplasen vnd
erquicken Gwiscardus der Juongling name zu im das
rore ging zu hawse ooffnet es vnd fande darinnen den
brieff den lase er vnd erlernet den willen der frawen wie
er zu ir kumen solt durch ein hoolen die do was heimlich
vnd verporgen vnd ging durch den berg biß zu der kamern
darinnen lage die fraw was oben mit doornen verwachsen
vnd in der kamern mit thuore vnd rigeln vermacht Als
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nun der Juongling durch den brieff die gelegenheit
der
hoole vnd des lochs erlernet het ging er beý nacht zu dem
loche nam mit im ein seýle daran gemacht waren knoden
het sich mit leder vmbgeben das in die doornen nit
beschedigten vnd ließ sich abe in das loch das ward im von
der frawen des morgens als die meid aufgestanden waren
vnd die frawe lenger wolt schlaffen geooffnet vnd kam
also der iuongling in die kamern der ward mit vmbgebenden
armen der frawen gar lieplich enpfangen vnd lebten
in großen freuoden vnd wollust . ging darnach wider in
das loch das beschloß die fraw stund auff vnd ging
herfuor Als sollichs von in beýden zu merern male geuobet
ward het Tancredus der vater in gewonheit das er zu
zeitten ging allein in die kamern zu der tochter mit ir
redt vnd froolich was Als eins mals vmb mittentag der
vater kam in die kamern vnd die tochter mit den meiden
in garten gangen was durch wollust zusuchen vnd die
venster der kamern zugethan waren legt sich der vater
beý dem pette auff ein pfuolben vnd enschlieffe Do kam
die tochter gegangen auß dem garten die do Gwiscardum
auff die selbig zeit het kumen heißen ooffnet das loch vnd
ließ in hinein do legten sie sich beýde an das pette waren
froolich vnd spilten nach irer gewonheit [<gewonhit] Der vater
erwachet sahe vnd empfande alle ding die sie beýde begunden
vnd theten schweýg stille als ein weiser man damit
er sollich uobel mit rat vnd vernufft moocht gestraffen
Nach vil freuoden vnd wollust gieng Gwiscardus in das
loch vnd beleýb dorinnen biß in die nacht Sigismunda
beschloß das loch vnd ging herfuor Tancredus ging auch
in sein kamern mit großen angsten vnd schmertzen vnd
ließ behuoten das loch Da ward Gwiscardus gefanngen
vnd also in dem leder damit er was bedecket fuor Tancredum [<Taucredum]
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gefuort Als in ansach Tancredus sprach er
zu im
Gwiscarde ich hett nit getrawt durch mein guottigkeit
vnd lieb die ich dir erzeigt hab das du an mir vnd meiner
tochter so uobel hettest gethan als ich mit meinen augen
hab gesehen . antwurt Gwiscardus Herr der fuorst der
gewalt der lieb ist grooßer dann dein oder mein gewalt
muogen sein Des morgens vmb mittentag ging der vater
zu der tochter nach seiner gewonheit die het noch kein
wißen das Gwiscardus gefanngen was vnd mit weinenden
augen sprach er zu ir Sigismunda mein libe tochter
dein erberkeit vnd tugendt hab ich also bekant das mir
nie in mein gemuote kumen ist das du gedacht soltst haben
damit dein keuoscheit versert moocht sein als du mit
Gwiscardo hast gethan vnd ich mit mein augen hab gesehen
darumb die kurtz zeit die ich nach meinem alter zuleben
han will ich in trawren vnd iamer verzeren so ich bedenck
das uobel das du hast volbracht vnd wolt got so es ýe
geschehen ist du hetst dir fuorgenumen ein edeln der dir
wol gezýmet het als du dir hast außerwelt Gwiscardum
der von nýdern schlechten leuoten geborèn vnd von vnns
auß barmhertzigkeit erzogen ist den hab ich dise nacht
fahen laßen vnd fuorgenumen wie ichs mit im will handeln
Aber wie ich mit dir soll leben bin ich noch vngewise
vnd vnberaten die groß liebe die ich zu dir als ein [<eni] vater
hab ermanet mich dir sollich missetat zu begeben vnd das
groß uobel das du hast begangen vnd mein zoren vnd
vngenad reitzen mich straff vnd pein von dir zunemen vnd
ee ich ettwas in disen dingen fuor nýme zuthun will ich
dein antwurt vernemen vnd hooren Sigismunda als sie
vername das Gwiscardus gefanngen vnd ir beýder lieb 30
geooffnet was do ward ir hertz mit wee vnd schmertzen
beladen vnd mocht sich kawm enthaben vor weinen vnd
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schreýen doch uoberwand ir großmechtigkeit
die weiplich
schwacheit vnd gab antwurt dem vater mit stetem angesicht
vnd auffgehabner stirn vnd gedacht mit Gwiscardo
zusterben vnd wolt weder gnad pitten noch den
zoren des vaters senfftigen sunder mit starckem vesten
mut als eine die do verschmecht das leben sprach sie vnd
redet also Tancrede lieber vater ich mag nit gelawgen
des du mich beschuldigst doch will ich mich mit guten
vrsachen verantwurten Jch bekenn das ich hab lieb gehabt
Gwiscardum vnd will ine die weill ich lebe das do
kurtz sein wirdet liebhaben vnd wer muoglich nach dem
tode lieb zuhaben ich wolt es thun vnd hat mich nit allein
weiplich begire zu seiner lieb gereitzt sunder auch
dein schulde vnd versaumnuß das du mir kein eelichen
man geben hast Du solt pillich gedacht haben als du von
fleisch geboren pist das du dein tochter auch von fleisch
vnd nit auß steinen oder eysen hetst geporen . solst auch
pillich bedacht haben wiewol du pist in dem alter wie
groß vnd starck der gewalt der natur ist in der iugent
vnd was muossig gien vnd wollust in mannen vnd frawen
thuon vnd schaffen Jch bin ein fraw von dir geborn iunck
vnd voller begire hab vor ein man gehabt vnd enpfunden
der wollust sollich anfechtigung haben mich tag vnd
nacht bewegt geprennet vnd uoberwunden . bin dabeý
fleýßig gewest das dir vnd mir nit schande vnd schmehe
darauß moochten erwachsen Vnd als du mir fúrheltest
wie Gwiscardus nit edel geboren seý ist nit sein schulde
sunder des gluockes wir haben alle von eim menschen Adam
ein vrsprung . allein die tugent hat vns vnderschaidlich
gemacht vnd wirt der edel geheißen des tugenthafftige
werck werden gesehen Nu hastu mir gwiscardi leben siten
vnd tugenden uober ander edelleuote deines hofs gesagt
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vnd gelobet dadurch du in selbst fuor edel
seiner tugenthalben
hast gehalten Vnd als du zumletzten hast gesagt
du seýst in zweýfel wie du es mit mir woollest halten ich
pitt dich leg hin sollichen zweýfel pistu in willen
Gwiscardum zupeinigen vnd tooten dieselben pein vnd tod will
ich nit fuorchten noch dich dafuor pitten vnd sage dir auch
was du mit Gwiscardo begýnnen wirst ob du dasselb
nit mit mir volbringest so muoßen doch mein eigen hende
an mir schuldig werden mit disen worten fieng an Tancredus
der vater zubeinen vnd ging von dannen Do sprach
zu im Sigismunda die tochter Nu gee hin vnd vergeuoß
die zeher sam die frawen vnd mit einem schlage toote
gwiscardum vnd mich so wir das verdient haben vnd wirdig
sein Tancredus enpfande die großmuotigkeit der tochter
vnd gedacht nit das sie thun wurde als die wortte von ir
gelawtet heten vnd was nit in [<ni int] willen die tochter zustraffen
sunder allein Gwiscardum zutooten dadurch die lieb der
tochter gen Gwiscardo wurd genumen vnd hieß das man
Gwiscardum beý nacht mit einer hantzweheln solt erwuorgen
vnd erstecken aus im nemen das hertze vnd im
zubringen Do sollichs also geschach name Tancredus
das hertze legt es auff ein guldein schalen vnd ließ es
bringen der tochter mit disen wortten zusprechen Dein
vatter hat dir geschickt dise gabe die du lieb gehabt hast
vnd will dich damit troosten als du zu merern male dar
durch getroost worden pist Sigismunda die was in vestem
willen als der vater von ir gangen was sich selbs zutooten
so Gwiscardus wurd getootet vnd name der vergifftig
kreuotter vnd wurtzeln prennet vnd distillirt dieselben
domit sie ir den tod thun moocht so Gwiscardus als sie
besorget den tod genumen het . Als nun Sigismunda die
schalen mit dem hertzen het empfangen die do was
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bedeckt thet sie die auff vnd fande dorinnen
ligen das hertze
so bald sie das ansahe gedacht sie wie es wer das hertze
Gwiscardi Do sprach sie zu dem diener der das gebracht
het also Das hertze ist wol wirdig eines gulden grabes
als du mir es in einer gulden schalen hast gebracht vnd
in dem hat mein vater recht gethan . mit disen wortten
name sie das hertze kuoßet es vnd sprach Mein vater hat
mich allzeitt lieb gehabt biß auff dise letzte zeitt meins
lebens dem soltu groß danck sagen diser gabe die er mir
hat geschickt vnd sahe damit an das hertze das sie hielt
in iren henden vnd sprach O du aller froolichste herberg
meiner begire vnd freuoden . vnselig muoß der sein der
geschafft hat das ich dich mit augen soll sehen es wer
genug gewesen das ich dich mit meinem gemuote gesehen
het du hast volbracht die zeit deins lebens die dir das
glúcke hat auffgesatzt vnd hast gehabt ein guldens grab
des du wol wirdig bist gewest vnd hat dir nichts gemangelt
dann meiner zeher das dir dieselben muogen widerfaren
hat got meinem vater in sýn geben das er dich zu mir
geschickt hat dieselben mein zeher will ich dir bezalen
wiewol ich mir het fuorgenumen mit drucken augen zu
sterben vnd will darnach begýnnen damit mein sele mit
deiner werde gesellet vnd begraben . wie moocht ich ein
froolichern vnd sichern weggesellen haben an dieselben
ende dann dich Jch laß mich beduncken das dein gemuote
vnd begire hie gegenwuortig sein vnd sein noch mit meiner
lieb vmbgeben wartten mein vnd wollen nit an mich
abscheiden . mit disen wortten naýget sich nýder Sigismunda
auff die schalen darinnen das hertz lag on alles
schreýen als den frawen gewonheit ist vnd vergoße das
wasser irer augen sam auß einem fließenden prunnen vnd
ward vnzellich kuoßen das tod hertze gwiscardi vnd mit
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armen vmbfahen das sahen die maid die do gegenwertig
waren westen nit, was das bedeuotet vnd auß erbarmung
der frawen warden sie betruobet vnd fingen an zu weinen
fragten die vrsach des schnellen schmertzen vnd bekuomernuoß
vnd warden sie troosten souil sie mochten Als nun
Sigismunda genug geweinet het hube sie auff ir gesichte
drucknet die augen vnd sprach O du aller liebstes hertz
mein ich hab ob dir volbracht mein ampt des wainens
vnd ist nit anders vorhanden dann das ich dir nachuolge
als mein geferten vnd beleýter name damit das toottlich
vergifftig getranck vnerschrockenlich vnd tranck das auß
ging in die kameren legt sich auff das pette vnd setzet die
schalen mit dem toten hertze auff ir hertze vnd was wartten
des todes die maide vnd frawen die gegenwerttig waren
westen nit was Sigismunda het getruncken schickten
allzehant zu dem vatter vnd theten im kunt das trawren
vnd wesen der tochter do erschrack der vater vnd besorgt
ob ir die tochter den tod het gethan vnd kam zu ir in die
kameren Do lag Sigismunda in todes nootten vnd mocht
ir nýemandts gehelffen die beclaget der vater mit großem
weinen vnd schreýen Also sprach Sigismunda zu im lieber
vatter behalt dein weinen vnd clagen zu andern dingen
die on deinen willen vnd begeren geschehen . dise dinck
hastu gewoolt vnd begeret du solt nit wainen von meinen
wegen ich begere des nit vnd will es nit haben doch hastu
ýe lieb zu mir gehabt pite ich dich vnd begere das du
mir die letzten lieb erzaigest vnd woollest meinen vnd
Gwiscardi leichnam zusamen in ein grab legen vnd
beschließen so du nit hast gewoollet das ich heimlich vnd
verporgen mit im hab muogen leben das ich doch tode
offenlich beý im werde begraben . der vater aus großem
schmertzen schwaig stille vnd mocht nit gereden .
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Sigismunda
[<Sigismuna] als sie enpfande das ende ires lebens do drucket
sie das hertz Gwiscardi an ir hertze vnd mit zuthunden
augen gesegnet sie die leuote vnd verschide vnd warden
Gwiscardus vnd Sigismunda in ein grab gelegt als sie
het gebetten . Aus diser historien ist abzunemen das sich
sollicher Jamerlicher schwerer vale nit het begeben so
Tancredus seiner tochter Sigismunde zu rechter zeit
ein man geben het :.